Milchallergie
Milch und Milchprodukte gehören zu den bedeutendsten Allergieauslösern im Säuglings- und Kindesalter.

Inhaltsübersicht:
In der Schweiz reagieren etwa 20 Prozent der Kinder, die an einer Nahrungsmittelallergie leiden, auf Milch. Bei Erwachsenen ist die Allergie eher selten. Es gibt unterschiedliche Arten von Kuhmilchallergien. Zudem muss die Allergie auf Kuhmilcheiweiss, bei deren Reaktion das Immunsystem beteiligt ist, klar von der Milchzuckerunverträglichkeit – der sogenannten Laktoseintoleranz – unterschieden werden.
Auslöser
Das für die allergische Reaktion verantwortliche Milcheiweiss wird vereinfacht in zwei Gruppen eingeteilt: Rund 80 Prozent der Proteine in der Kuhmilch sind Kaseine – auch Caseine. Den restlichen Teil machen die Molkenproteine Alfa-Laktalbumin und Beta-Laktoglobulin aus. Kasein kommt in allen Tiermilchen vor, also auch in jener von Ziegen, Schafen oder Stuten. Alfa-Laktalbumin und Beta-Laktoglobulin sind nur in der Kuhmilch zu finden. Ausserdem sind die beiden Molkenproteine nicht hitzestabil, das heisst, sie zerfallen bei hohen Temperaturen.
Die meisten Betroffenen reagieren nicht allein auf ein bestimmtes Milcheiweiss. Meist vertragen sie mehrere Allergene nicht und müssen deshalb fast jegliche Art von Tiermilch (inkl. Schaf und Ziegen)meiden. Ein paar wenige reagieren jedoch lediglich auf das Alfa-Laktalbumin und / oder das Beta-Laktoglobulin allergisch und vertragen daher gekochte oder verbackene Kuhmilch wie etwa im Käse und Joghurt sowie im Zopf.
Vorkommen
Kuhmilch ist in Molkereiprodukten wie etwa Joghurt, Käse oder Quark enthalten, aber auch in verarbeiteten Produkten wie beispielsweise Keksen, Eiscreme oder versteckt in Salatsaucen oder Wurstwaren. Mehr dazu in der «Einkaufshilfe Milchallergie».
Milch ist in der Schweiz und der EU gehört Milch zu den 14 Hauptallergenen, die in der Gesetzgebung genannt werden. Dies bedeutet, dass die Zutat und daraus hergestellte Produkte klar deklariert und auf der Verpackung hervorgehoben werden – zum Beispiel fett markiert, kursiv oder mit Grossbuchstaben.
Mehr dazu in der Deklaration Broschüre.
Allergieverlauf
Es ist möglich, eine Milchallergie zu verwachsen. So kann es vorkommen, dass Kleinkinder mit zunehmendem Alter Milch vertragen. Daher ist eine jährliche Abklärung bei der behandelnden Fachperson empfohlen.
Symptome
Bei einer IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie auf Milch zeigen sich die Symptome wie bei allen anderen Nahrungsmittelallergien sehr schnell nach dem Verzehr und meist in Form von Juckreiz, Rötungen, Quaddeln und Schwellungen an der Haut und Schleimhäuten. Ähnlich wie bei anderen Nahrungsmittelallergien sind auch Beschwerden der Atemwege möglich. Beschwerden, die lediglich den Verdauungstrakt betreffen, sind selten. Sie treten meistens in Kombination mit anderen allergischen Beschwerden auf. In seltenen Fällen kann es zum anaphylaktischen Schock mit Atemnot und Kreislaufstillstand kommen.
Mehr Informationen zur Anaphylaxie.
Bei nicht-IgE-vermittelten Milchallergien wie beispielsweise FPIAP (Food Protein Induced Allergic Proctocolitis) und FPIES (Food Protein Induced Enterocolitis Syndrom) ist meistens vorallem der Verdauungstrakt betroffen. Typische Symptome können Blut im Stuhl (FPIAP) oder wiederholtes Erbrechen (FPIES) sein und treffen verzögert auf.
Diagnose
Die Selbstbeobachtung – idealerweise festgehalten in einem sogenannten Symptomtagebuch – sowie die Befragung durch einen Arzt, eine Ärztin, bilden die wichtigsten Grundlagen für die Diagnose einer Milchallergie.
Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Milchallergie können Haut- und Bluttests Klarheit bringen. Um eine Diagnose zu sichern oder die Toleranzgrenze zu ermitteln, können zusätzlich Provokationstests notwendig werden.
Eine nicht-IgE-vermittelte Milchallergie kann nicht mit einem Haut- oder Bluttest bestätigt werden. Dies macht die Diagnose zu einer Herausforderung. Meistens wird die Vermutung durch eine ärztlich begleitete Eliminationsdiät gefolgt von einer Wiedereinführung bestätigt.
Therapie
IgE-Vermittelte Milchallergie:
Wichtig ist eine konsequente Karenz, also das Meiden von Milch. Auch auf versteckte Quellen in Back- und Wurstwaren, Gewürzmischungen sowie Halbfertig- und Fertigprodukten muss geachtet werden. Besteht die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion, sind auch Kleinstmengen («Spuren» / «Kontaminationen») strikt zu meiden. Ob Spuren vertragen werden, entscheidet der Allergologe, die Allergologin. Weiter kann hier auch eine Provokationstestung hilfreich sein, um zu ermitteln, wie viel vom Allergen vertragen wird.
Für die Umsetzung im Alltag ist die Begleitung einer spezialisierten Ernährungsfachperson hilfreich. Etwa um den Einsatz von Milchersatzprodukten zu besprechen, um zu lernen wie die Zutatenlisten zu lesen sind, um praktische Tipps zu erhalten sowie den persönlichen Alltag zu besprechen. Auch die Versorgung der kritischen Nährstoffe (Eiweiss, Vitamine und Mineralstoffe) sollte von einer Ernährungsfachperson beurteilt und vom behandelnden Kinderarzt, der behandelnden Ärztin überwacht werden.
Wer bereits eine starke allergische Reaktion erlebt hat, sollte immer ein Notfallset bei sich tragen, um bei einer erneuten, starken allergischen Reaktion rasch handeln zu können. In jedem Fall sollte nach der Erstversorgung der Notfallarzt oder ein Spital aufgesucht werden.
Die allergenspezifische Immuntherapie gehört zu den neuen Behandlungsstrategien, die vor allem bei Kindern untersucht werden. Mit diesem Ansatz kann die Toleranz gegenüber den betreffenden spezifischen Allergenen erhöht und damit das Risiko einer schweren Reaktion bei versehentlicher Aufnahme einer kleinen Menge dieser Allergene verringert werden. Obwohl Langzeitstudien noch fehlen, wurde festgestellt, dass die erzielten Effekte in der Regel nicht anhaltend sind.
Die Immuntherapie wird derzeit für Allergien gegen Milch, Eier und Erdnüsse empfohlen, kann aber manchmal auch bei anderen Allergien, z. B. gegen Nüsse oder Weizen, in Betracht gezogen werden. Die Behandlung muss in jedem Fall von einem Allergologen verschrieben und überwacht werden, da das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen nicht unerheblich ist.
Nicht-IgE-vermittelte Milchallergien
Wie bei einer IgE-vermittelte Milchallergie bildet die Karenz (meiden vom Milch) die Grundlage der Therapie. Wie lang und wie strikt dies umgesetzt werden muss, soll mit einem Allergologen, einer Allergologin besprochen werden. In den meisten Fällen ist eine Wiedereinführung noch vor dem 12. Lebensmonaten möglich und gut verträglich.
Milchallergie: häufig gestellte Fragen
Wie kann ich meinen Kalziumbedarf trotz Milchallergie decken?
Einige Milchersatzprodukte sind mit Kalzium angereichert. Auch kalziumreiche Mineralwasser können einen bedeutenden Beitrag zur Deckung des Bedarfs leisten. Nach Absprache mit einer medizinischen Fachperson kann ein Kalziumsupplement hilfreich sein.
Wird erhitzte Milch besser vertragen als rohe?
In der Milch sind hitzelabile sowie hitzestabile Allergene enthalten. Je nach auslösendem Allergen vertragen Betroffene Milch in stark erhitzter oder gebackener Form. Dies sollte nur nach Rücksprache mit einer Fachperson und je nach Form der Allergie ausschliesslich unter Aufsicht getestet werden.
Kann ich ohne Bedenken vegane Produkte konsumieren?
Vegan deklarierte Produkte können Spuren von Milch enthalten. Ob sie vertragen werden, ist daher abhängig von der individuellen Toleranz der betroffenen Person.
Muss ich das ganze Leben auf Milch verzichten?
In der Regel treten Milcheiweissallergien im Säuglings- und Kleinkindalter auf und verlieren sich in den meisten Fällen bis zum Schulalter wieder. Eine jährliche Abklärung beim Allergologen, bei der Allergologin wird daher empfohlen. Es gibt selten auch erwachsene Personen mit Milcheiweissallergie. Diese müssen ihr Leben lang konsequent auf Milchprodukte verzichten und Milchalternativen wählen.
Kann ich Kuhmilch durch laktosefreie Milch ersetzen?
Nein. Laktosefreie Milch enthält immer noch Milcheiweisse, welche die Auslöser für eine Milcheiweissallergie sind.
Was hat Milchsäure mit Milch zu tun?
Gar nichts. Milchsäure wird mit Hilfe von Milchsäurebakterien aus Stärke – meistens Mais- oder Kartoffelstärke – hergestellt und ist frei von Milchbestandteilen. In der Lebensmittelindustrie wird Milchsäure als Zusatzstoff E270 eingesetzt.
Muss ich als stillende Mutter ebenfalls auf Milch verzichten?
Wird bei einem gestillten Kind eine Kuhmilcheiweissallergie diagnostiziert, gibt es keine generelle Empfehlung, dass sich die Mutter kuhmilcheiweissfrei ernähren muss. Sollten sich die Symptome des Säuglings nicht verbessern, kann nach ärztlicher und/oder ernährungstherapeutischer Empfehlung eine kuhmilcheiweissfreie Ernährung der Mutter für einen begrenzten Zeitraum ausprobiert werden. In diesem Fall ist die Begleitung einer spezialisierten Ernährungsfachperson ratsam. Bei fehlender Besserung sollte die Mutter die Milchprodukte wieder einbauen.
Wie erkenne ich, ob mein Kind ein FPIES auf Milch haben könnte?
Typischerweise treten die Symptome bei einem FPIES erst 1-4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme auf. Als Leitsymptom gilt das sehr starke, teils unstillbare Erbrechen. Zudem wirken betroffenen Kinder apathisch und blass. Quaddeln oder Symptome der Atemwege treten bei FPIES typischerweise nicht auf.
Mein Kind hat Blut im Stuhl, handelt es sich dabei um eine nicht IgE vermittelte Kuhmilcheiweissallergie?
Blut im Stuhl kann unterschiedliche Ursachen haben, welche ärztlich abgeklärt werden sollten. Ein Termin beim Kinderarzt, der Kinderärztin ist demnach der erste Schritt. Können Hinweise auf andere Diagnosen ausgeschlossen werden, kann durch das ärztlich begleitetes Weglassen und wieder Einführung der Kuhmilch eine FPIAP (Food Protein-Induced Allergic Proctocolitis) diagnostiziert werden. Ein Kind mit FPIAP weist nebst den Stuhlbeimengungen meist einen guten Allgemeinzustand auf.
Redaktion: aha! Allergiezentrum Schweiz, in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat.