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Leben mit Asthma: Sarah van Berkel lässt sich nicht einschränken
Sich von ihrem Asthma einschränken lassen? Das kam für die Eiskunstläuferin Sarah van Berkel noch nie in Frage.
Die meisten Menschen mit Asthma würden wohl das Gefühl von Ersticken als prägendstes Erlebnis im Zusammenhang mit ihrer Krankheit bezeichnen. Bei der ehemaligen Profi-Eiskunstläuferin Sarah van Berkel ist das anders.
Ihr persönliches Asthma-Grauen hat mit einem dampfenden Apparat zu tun, an dem ein Schlauch mit einem Mundstück befestigt war. Als Kind musste sie sich drei Mal täglich vor diesen Apparat hinsetzen, um den um den verdampften Inhalt einer Ampulle zu inhalieren.
Darauf hatte die kleine Sarah überhaupt keine Lust, aber sie wusste sich zu helfen. «Immer, wenn das Mami oder der Papi nicht hinschauten, pustete ich fest in den Schlauch, damit die Flüssigkeit am anderen Ende hinausspritzte. So war ich schneller mit dem Inhalieren fertig», erzählt die heute 38-Jährige lachend.
Damals habe sie noch nicht verstanden, dass dieses verhasste Gerät sie vor schweren Asthmaanfällen bewahren konnte und dem Gefühl zu ersticken. Wobei: Einmal pro Jahr war sie jeweils nahe dran. Gezwungenermassen, denn zu ihrer Zeit als Spitzensportlerin – damals hiess sie noch Sarah Meier – standen Asthma-Medikamente auf der Dopingliste.
Um eine Bewilligung dafür zu erhalten, musste die Zürcherin einmal jährlich bei einem Lungenfunktionstest nachweisen, dass sie tatsächlich an Asthma leidet. «Ich musste dann jeweils etwas einatmen, das bei mir einen Anfall auslöste. Das fühlte sich sehr unangenehm an.»
Die Europameisterin und zweifache EM-Silbermedaillengewinnerin hat seit ihrer frühen Kindheit allergisches Asthma – Auslöser sind Roggen und Birken, späte Gräser, Hausstaub sowie Hunde- und Katzenhaare. Später kam ein Belastungsasthma hinzu. Möglich, dass die kalte Luft in den Eishallen die Symptome verstärkte.
Das Gefühl, durch ihre Krankheit sportlich benachteiligt zu sein, hatte Sarah van Berkel jedoch nie. Vielleicht auch, weil sie nicht die Einzige war. «Fast jede Zweite in unserer Trainingsgruppe hatte Asthma.» Wenn mal eine ihre Medikamente vergessen habe, habe immer jemand aushelfen können. «Das einzige Problem war, dass ich nach einer Kür manchmal nicht wusste, ob ich wegen meines Asthmas ausser Atem bin oder weil ich zu wenig trainiert hatte.»
Abgesehen davon habe sie ihre Krankheit immer im Griff gehabt. So gut, dass sie zwischendurch kaum noch daran dachte und nach ihrem Rücktritt vom Profisport beschloss, auf die täglichen Medikamente zur Vorbeugung zu verzichten. «Ich hatte ja nie einen Anfall, daher dachte ich, ich bräuchte sie nicht mehr.»
Bis sie vor einiger Zeit bei der Familie ihres Mannes übernachten wollte und erst vor Ort realisierte, dass sie auf die zwei Katzen des Hauses allergisch reagiert. «Ich hatte plötzlich dieses Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen, so, als würde ich durch einen Filter atmen. Da wurde mir erst wieder so richtig bewusst, dass ich Asthma habe.»
Zu allem Übel hatte sie auch noch ihr Notfallspray zu Hause vergessen. Sie versuchte es zunächst mit bewusstem Ein- und Ausatmen, merkte jedoch schnell, dass sie kein Auge zutun würde. Da fiel ihr ein, dass die Mutter einer Freundin in der Nähe wohnt, die ebenfalls Asthma und vielleicht einen Spray zum Ausleihen hat – so wie früher ihre Trainingskolleginnen. Sarah van Berkel hatte Glück.
«Ich hätte die vorbeugenden Medikamente nicht eigenmächtig absetzen sollen. Jetzt weiss ich es besser.» Sie wolle ihren Alltag halt immer möglichst wenig von ihrer Allergie bestimmen lassen. «Ich würde auch nie unsere Katze weggeben oder aus unserem Haus am Waldrand wegziehen», sagt die zweifache Mama. Die Bewegung in der Natur würde sie sich ebenfalls nicht nehmen lassen. «Es ist so wichtig, dass man seine Lunge trainiert, gerade wenn man Asthma hat.»
Natürlich, sie sei privilegiert und ihr Leidensdruck halte sich in Grenzen. «Aber bevor ich mich stark einschränken müsste, würde ich zuerst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen.» Auch für alternative Therapiemethoden wie Hypnose wäre sie ebenfalls offen. «Im Spitzensport habe ich gelernt, wie eng der Körper und die Psyche zusammenspielen. Das eröffnet einem viele Möglichkeiten, mit Verletzungen oder Krankheiten umzugehen und davon würde ich auf jeden Fall profitieren.»
Artikel von Denise Jeitziner, erschienen im aha!magazin 2023, das man kostenlos abonnieren kann.